07 Januar 2016

PostgreSQL® 9.5 erschienen

PostgreSQL® Version 9.5 ist fertig! Die neue Hauptversion glänzt mit einer Vielzahl an neuen, nützlichen Features, massiven Verbesserungen an der Geschwindigkeit vor allem auf Systemen mit vielen CPU-Kernen, aber auch einigen Änderungen, die sich auf die Kompatibilität älterer Anwendungen auswirken. Im Folgenden findet sich eine Zusammenfassung der wichtigsten Merkmale der neuen Version.

Upsert

Die wohl prominenteste Neuerung findet sich in PostgreSQL® 9.5 in der Erweiterung der INSERT-Syntax um die Möglichkeit, bei Konflikt eine alternative Aktion bezüglich des betroffenen Tupels auszuführen. Dieses Verfahren, umgangssprachlich auch unter der Bezeichnung Upsert bekannt, ist ein von der PostgreSQL®-Community schon sehr lange gewünschtes Feature. Anwendungen mussten bisher entweder die Fehler bei Konflikten selbst behandeln, z.B. bei einem INSERT-Konflikt die Transaktion mit einem UPDATE wiederholen (mit entsprechenden Maßnahmen gegenüber nebenläufigen Transaktionen), oder umständliche Prozeduren verwenden, die die entsprechende Funktionalität kapselten.

An dieser Stelle gab es bereits einen Blogartikel, der sich mit den Möglichkeiten dieser neuen Funktionalität detailliert beschäftigt hat und beispielhaft die Syntax illustriert.

Block Range Indexe

Block Range Index (verkürzt BRIN genannt), waren ebenfalls bereits Thema eines vorangegangenen Artikels.

Zum Verständnis sei hier noch einmal darauf verwiesen, dass PostgreSQL® Daten innerhalb von Tabellen in festen physikalischen Blöcken innerhalb von Dateisegmenten organisiert. Ein solcher Block hat eine feste Größe von jeweils 8KB. Zusammenfassend kann ein Block Range Index so beschrieben werden, dass er keine absoluten Werte und deren Position in der Tabelle indiziert, sondern das Auftreten eines bestimmten Wertebereiches eines Blocks einer Tabelle erfasst. Mit anderen Worten, ein Eintrag in einem Block Range Index speichert Minimal- und Maximalwerte für jeden Tabellenblock. Daher ist ein BRIN-Index sehr kompakt und kann im speziellen Fall von geclusterten Daten einer Tabelle massive Vorteile bringen. Für Details sei an dieser Stelle nochmals auf den Blogartikel zum Thema verwiesen.

Row Level Security (RLS)

Für bestimmte Einsatzzwecke ergibt sich manchmal der Bedarf, Zeilen einer Tabelle beispielsweise vor spezifischen Datenbankrollen zu verstecken. Früher war es für diese Szenarien gebräuchlich, entsprechende Views anzulegen, die die Zeilen für diese Datenbankrollen entsprechend ausblendeten, was allerdings erst mit sogenannten SECURITY BARRIER-Views ab PostgreSQL® 9.2 wirklich sicher ist. Ferner ist dieses Verfahren ein wenig umständlich, da entsprechende Views gepflegt werden müssen, die durch die SECURITY BARRIER Direktive unter Umständen auch langsamer werden. Der Blogartikel RLS bietet einen detaillierten Überblick über dieses neue Feature, das weit über die bisherigen Möglichkeiten hinausgeht. RLS ist hierbei transparent und vermeidet das Erstellen umständlicher Zugriffspfade wie Views oder Funktionen.

Konfigurationsparameter checkpoint_segments

Der für die Gesamtperformance immanent wichtige Konfigurationsparameter checkpoint_segments wird durch eine bessere und deutlich angenehmere Infrastruktur ersetzt. Mit checkpoint_segments war es immer schwierig, eine bestimmte Größe des Transaktionslogs in PostgreSQL® zu konfigurieren. Zwar gab es die einschlägige Formel ((2 + checkpoint_completion_target) * checkpoint_segments) + 1 für die Anzahl vorzuhaltender Transaktionslogsegmente. Für die Anwender war es jedoch immer ungewöhnlich hier im Kontext von Segmentanzahl zu konfigurieren, anstatt einfach minimale und maximale Größen (beispielsweise in Megabyte) vorzugeben. Die neuen Konfigurationsparameter min_wal_size und max_wal_size ersetzen nun den Konfigurationsparameter und erlauben das Festsetzen minimaler und maximaler Größen des Transaktionslogs. max_wal_size ist jedoch (genau wie vormals checkpoint_segments) keine feste Grenze, sondern ein Softlimit, das bei Lastspitzen durchaus diese Grenzen überschreiten kann. Die Standardeinstellungen für min_wal_size und max_wal_size sind 80MB bzw. 1GB. Dabei werden die Transaktionslogsegmente nur bei Bedarf allokiert, bis max_wal_size erreicht ist. Bleibt die generierte Transaktionsloggröße unter der konfigurierten min_wal_size werden auch keine weiteren Transaktionslogsegmente verwendet.

Für den Umstieg der gewohnten Einstellungen von checkpoint_segments kann folgende Formel verwendet werden:

    max_wal_size = (3 * checkpoint_segments) * 16MB

Zu beachten ist allerdings, dass die Standardeinstellung in PostgreSQL® 9.5 schon deutlich höher gewählt sind als bisher.

Index-Only Scans für GiST-Indexe

PostgreSQL® muss in der Regel jeden Indextreffer evaluieren, ob dieser für die aktuelle Transaktion noch relevant ist. Unter bestimmten Voraussetzungen kann man sich jedoch das zusätzliche (und unter Umständen teure) Lesen der Tabellenzeile sparen. Bisher war dies BTree-Indexe vorbehalten, mit PostgreSQL® 9.5 ist diese Zugriffsmethode nun auch für GiST-basierte Indextypen möglich. Ein Beispiel hierfür ist das contrib-Modul btree_gist, dass einige Anwendungsmöglichkeiten demonstriert.

Verbesserte Skalierbarkeit

Wie bei fast jedem Release bietet auch die neue Version einige Verbesserungen hinsichtlich der vertikalen Skalierbarkeit. So wurde unter anderem der Zugriff auf die LWLock Infrastruktur verbessert, indem das Anfordern derartiger Sperren nun über atomare Zugriffspfade realisiert wird, anstatt hierfür ebenfalls wiederum eine exklusive Sperre anzufordern. Da LWLocks in erster Linie für den Zugriff auf Datenstrukturen im Shared Memory verwendet werden, erhöht dies die Skalierbarkeit insbesondere auf Maschinen mit sehr vielen CPU-Kernen. Auch Seitenersetzungen im PostgreSQL®-eigenen Shared Buffer sind nun aufgrund der Verwendung von Spinlocks und verbessertem Lockingalgorithmus deutlich granularer. Desweiteren wurde für bestimmte Datentypen (text und numeric) die Geschwindigkeit für Sortieroperationen verbessert. Anstatt gleich die volle Länge des Sortierschlüssels zu benutzen, wird zunächst eine abgekürzte, feste Schlüssellänge verwendet, um Unterschiede schneller festzustellen. Daneben gibt es noch viele weitere, kleinere Verbesserungen.

Inkompatiblitäten

Mit Erscheinen der Version 9.5 werden in PostgreSQL® auch Inkompatibilitäten eingeführt, die alte Funktionalität ersetzt oder wegrationalisiert. Die wichtigsten Änderungen im Überblick:

Änderung von Operator-Präzedenzen

Die Präzedenz von Operatoren definiert, welche Priorität diesen beim Evaluieren innerhalb von Ausdrücken eingeräumt bekommen. Ein gutes Beispiel ist immer der Vergleich von Subtraktion/Addition und Multiplikation. Der Multiplikation muss eine höhere Präzedenz eingeräumt werden, da mathematisch immer Punkt-vor-Strich eingehalten werden muss. So ist es auch in PostgreSQL®, der *-Operator ist in der Präzedenz eine Stufe höher definiert als die +– bzw. --Operatoren.

Die Operatoren <=, >= und <> besitzen nun dieselbe Präzedenz wie die Operatoren <, > und =. Dies ist eine Änderung gegenüber den Vorgängerversionen von PostgreSQL® 9.5, in denen letztere in der Präzedenz eine Stufe höher eingeordnet waren.

Außerdem wurde die Präzedenz der IS-Operatoren herabgesetzt, diese befindet sich jetzt unterhalb der genannten Operatoren. Die Konsequenz sollte relativ überschaubar sein, allerdings gibt es dennoch SQL-Ausdrücke, die in ihrer Konstruktion aufgrund der geänderten Präzedenzen nun unterschiedliche Ergebnisse zur Folge haben. Ein Beispiel wäre folgender, zugegebenermaßen sehr konstruierter Fall. In PostgreSQL® 9.4:

    SELECT f1 <= f2 || f3 FROM (VALUES('abc', 'ab', 'c')) AS t(f1, f2, f3);
     ?column?
    ----------
     falsec
    (1 row)

Das falsec ist ein Ergebnis der Konvertierung des boolschen Werts in text und der anschließenden Text-Konkatenation. Durch die angesprochenen Änderungen ergibt sich jedoch in PostgreSQL® 9.5 folgendes Bild:

    #= SELECT f1 <= f2 || f3 FROM (VALUES('abc', 'ab', 'c')) AS t(f1, f2, f3);
     ?column?
    ----------
     t
    (1 row)

Hier erkennt man auch die Gründe für die Änderungen, das Ergebnis des letzten Ausdrucks ist korrekt. Solche Konstrukte waren in der Vergangenheit schon immer problematisch, so dass die Mehrzahl der Anwendungen explizite Klammern benutzt haben, um korrekte Ergebnisse zu erzielen. Wer sich bei der Evaluierung von PostgreSQL® 9.5 in seiner Umgebung nicht sicher ist, nicht doch irgendwelche Probleme zu bekommen, kann in PostgreSQL® 9.5 den Konfigurationsparameter operator_precedence_warning benutzen, der Hinweise auf entsprechende Fälle gibt:

    SET operator_precedence_warning TO on;
 
    SELECT f1 <= f2 || f3 FROM (VALUES('abc', 'ab', 'c')) AS t(f1, f2, f3);
    WARNING:  operator precedence change: <= is now lower precedence than ||
    LINE 1: SELECT f1 <= f2 || f3 FROM (VALUES('abc', 'ab', 'c')) AS t(f...
                  ^
     ?column?
    ----------
     t
    (1 row)

Änderung in pg_ctl

Bis einschließlich PostgreSQL® 9.4 verwendete pg_ctl den Shutdownmodus smartstandardmässig, falls nicht explizit abweichend per -m-Kommandozeilenschalter definiert. Mit PostgreSQL® 9.5 ändert sich der Standardmodus nun zu fast, was ein sofortiges Zurückrollen aller laufenden Transaktion und Beenden offener Datenbankverbindungen beinhaltet. Dies steht im Kontrast zum smart-Shutdownmodus, was solange mit dem Stoppen der PostgreSQL®-Instanz wartete, bis alle offenen Transaktionen und Datenbankverbindungen explizit beendet wurden.

PL/pgSQL mit geänderten Typcasts

PL/pgSQL verwendete seither intern immer die Umwandlung über text-Typen für die Datentypkonvertierung. Mit PostgreSQL® 9.5 ändert sich das Verhalten, indem PL/pgSQL nun direkt die Typecasts für den jeweiligen Zieltyp verwendet, falls vorhanden. Dies ändert das Verhalten von PL/pgSQL in bestimmten Fällen, wie die folgenden Beispiele illustrieren. Ein Fall ist die Zuweisung von numeric-Werten an integer-Typen, in PostgreSQL® 9.4 ergab sich bisher folgende Situation:

    DO LANGUAGE plpgSQL
    $$
    DECLARE
        i integer;
        n numeric;
    BEGIN
        n := 1.6;
        i := n;
        RAISE NOTICE 'i = %', i;
    END;
    $$;
 
    ERROR:  invalid input syntax for integer: "1.6"
    CONTEXT:  PL/pgSQL function inline_code_block line 1 at assignment

Die Konvertierung ist nicht möglich, da der Umweg über die Text-I/O Routinen wiederum den Wert 1.6 an die integer-Variable i übergibt. Mit der Verwendung über die integrierten Typcast-Funktionen ändert sich das Verhalten in PostgreSQL® 9.5:

    NOTICE:  i = 2

Das Runden entspricht dem Verhalten von numeric-nach-integer-Umwandlungen aus der SQL-Welt, wenn die Typcastroutinen des entsprechenden Zieltyps direkt verwendet werden (int4() ist die für den Cast von numeric auf integer verwendete Routine), ohne den zusätzlichen Schritt über text:

    SELECT int4(1.6);
     int4
    ------
        2
    (1 row)

Eine weitere Auswirkung dieser Änderung ist die Repräsentation von boolean, die sich bei der Konvertierung direkt in einen text-Typ von t/fauf true/false ändert:

    DO LANGUAGE plpgSQL
    $$ 
        DECLARE 
            b boolean := TRUE;
            t text;
        BEGIN 
            t := b;
            RAISE NOTICE 't value = %', t; 
        END;
    $$;
    NOTICE:  t value = t

Das Ergebnis in PostgreSQL® 9.5 ist dagegen:

    NOTICE:  t value = true

Anwendungen, die sich in irgendeiner Form auf das alte Verhalten verlassen, sollten sorgfältig auf entsprechende Auswirkungen überprüft werden.

Wegfall des Parameters ssl_renegotiation_limit

Zwar akzeptiert PostgreSQL® nach wie vor die pure Existenz des Parameters, allerdings zeigt er in PostgreSQL® 9.5 keine Wirkung mehr, bzw. muss zwingend auf „0“ stehen.

Zusammenfassung

Mit Erscheinen der Version 9.5 liefert das Datenbanksystem PostgreSQL® wieder eine Fülle von Neuerungen und verspricht insbesondere auf Systemen mit vielen CPU-Kernen deutliche Geschwindigkeitssteigerungen. Selbstverständlich stehen ebenfalls fertige Pakete für alle gängigen RPM-basierten Linuxdistributionen auf yum.postgresql.org sowie für Debian und Ubuntu auf apt.postgresql.org bereit. Das Supportteam der credativ GmbH unterstützt Sie gerne bei der Planung, Einsatz oder Migration der neuen PostgreSQL® Version.

Kategorien: Aktuelles PostgreSQL®
Tags: PostgreSQL®

BH

über den Autor

Bernd Helmle

Technischer Leiter Datenbanken

zur Person

Bernd Helmle arbeitet als Datenbankberater und -entwickler für die credativ GmbH, Deutschland. Er verfügt über umfassende Erfahrung in der PostgreSQL<sup>®</sup>-Administration, Hochverfügbarkeitslösungen und PostgreSQL<sup>®</sup>-Optimierung und Performance-Tuning. Außerdem war er an verschiedenen Migrationsprojekten von anderen Datenbanken zu PostgreSQL<sup>®</sup> beteiligt. Bernd Helmle entwickelte und betreut die Informix Foreign Data Wrapper Erweiterung für PostgreSQL<sup>®</sup>.

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